Leitzinsen bleiben unverändert
Der Leitzinsentscheid vom 21. Juli 2016
Auch diesmal richtet sich unser Augenmerk wieder auf die Wirtschaftsdaten zur Inflation, zur Kreditvergabe und zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone, um einzuschätzen, in welche Richtung die EZB die Weichen für die zukünftige Geldpolitik stellen wird. Eine Abkehr von der Nullzinspolitik ist nicht zu erwarten, aber Experten erwarten auch keine weiteren Lockerungen.
Die Leitzinsen der EZB vom 21. Juli 2016 im Überblick
- Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte: 0,00%
(im März 2016 um 5 Basispunkte gesenkt) - Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität: 0,25%
(im März 2016 um 5 Basispunkte gesenkt) - Einlagefazilität: -0,40% (im März um 10 Basispunkte gesenkt)
Die Bedeutung der einzelnen Werte erklären wir in der Artikelserie zur Europäischen Zentralbank. Für eine Übersicht der bisherigen Leitzinsentscheide folgen sie dem Verweis!!
Europa verharrt in der Dauerkrise
Die EU befindet sich aktuell nicht gerade in ruhigem Fahrwasser. Die Flüchtlingskrise, der Brexit, der Putschversuch in der Türkei und die damit einhergehende Destabilisierung der Region, und nicht zuletzt die tragischen Anschläge in Nizza und Würzburg lassen erkennen, dass Europa noch immer im Krisenmodus operiert. Nach der Finanzkrise ab dem Jahr 2007 und der Eurokrise ab dem Jahr 2010 ist Europa an Krisen gewöhnt. Mit der Bewältigung der Krisen kommt Europa schlecht voran und der Brexit ist ein deutliches Zeichen dafür, dass auch das Fundament der Union Risse von diesen Ereignissen davongetragen hat.
Es ist die Aufgabe der EZB, für Preisstabilität zu sorgen. Allerdings sind die Maßnahmen, mit der die Europäische Zentralbank an diesem Ziel arbeitet schon lange nicht mehr nur auf das Drehen an der Zinsschraube beschränkt. Die Zentralbank kauft massiv Staatsanleihen und Wertpapiere von Unternehmen, während der Leitzins bei 0,00 liegt und die Banken für Einlagen bei der EZB einen Strafzins von derzeit 0,40 % zahlen müssen. Diese Maßnahmen (laut EZB sind das geldpolitischen Sondermaßnahmen) stehen unter Kritik und etliche Gerichte mussten sich schon mit der Frage befassen, ob die Maßnahmen noch im Rahmen des Mandats der Zentralbank liegen oder nicht. Bisher haben die höchsten Gerichte der EZB die Rechtmäßigkeit bescheinigt, aber das lässt die Kritiker nicht verstummen.
Der Grund dafür ist manchmal purer und platter Populismus, aber die Geldpolitik bleibt natürlich nicht ohne Wirkung auf andere Systeme und wer davon betroffen ist, meldet sich natürlich auch mit Recht zu Wort. Wenn die Zentralbank zum Beispiel im großen Stil Staatsanleihen kauft und die Zinsen aufgrund der niedrigen Leitzinsen im Keller sind, haben Versicherungen Problem profitabel am Markt zu arbeiten. Die haben zahlreiche alte Verträge in den Schubladen, für die sie vergleichsweise hohe Zinsen ausschütten sollen. Sie selbst dürfen aber renditestarke Anlageformen nicht nutzen, weil gesetzliche Vorgaben das verbieten. Auf der anderen Seite gibt es kaum risikoarme Produkte, die Gewinne abwerfen und die kauft die EZB den Versicherungen noch vor der Nase weg.
Auch die deutschen Banken leiden zum Teil unter den niedrigen Zinsen und klagen über den Strafzins. Sie sehen ihre Geschäftsmodelle in Gefahr und drehen deshalb an der Gebührenschraube. Lediglich die schlanken Internetbanken halten an ihren kostenlosen Girokonten fest und lediglich einige Sparspezialisten unter den Direktbanken bieten noch gute Zinsen, während die Mehrheit der Filialbanken keine Zinsen mehr zahlen. Aber die Branche leidet auch unter der Regulierung und smarte Fintechs fischen den Dinosauriern der Branche die Kunden weg, weil sie den Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden richten und Lösungen bieten, die von den Kunden gerne ausprobiert werden. Nicht jede Idee setzt sich durch, aber die schiere Zahl der Startups im Finanzbereich sollte den behäbigen und selbstzufriedenen Vertretern der Branche Angst machen.
Die Beispiele zeigen, dass die Geldpolitik ganz konkrete Auswirkungen auch auf den Alltag und die Belange der Bankkunden hat. Die Kosten für Konten und die Zinsen für Sparprodukte hängen von den Entscheidungen der EZB ab.
Inflation
- Deutschland: 0,30 % im Juni (vorher: 0,10 % für Mai)
- Euro-Zone: 0,10 % im Juni (vorher: -0,10 % für Mai)
Die Beschlüsse des EZB-Rats im Juli 2016
Draghi bescheinigt der Eurozone eine moderate Konjunkturerholung, die sich so auch in Zukunft fortsetzen soll. Grund dafür sind die gute Binnennachfrage und die Exporte, obwohl die gerade nicht so stark sind, wie zuvor. Positive Signale sieht die EZB auch im Bereich der Kreditnachfrage und der Kreditvergabe. Trotz schleppender Strukturreformen in den Mitgliedsländern, dem Brexit und den aktuellen Unsicherheiten, geben diese Entwicklungen keinen Anlass, den geldpolitischen Kurs anzupassen. Deshalb belässt die Zentralbank die Zinsen in dieser Sitzung unverändert und auch die geldpolitischen Sondermaßnahmen sollen weiterlaufen, wie geplant.
Der EZB-Rat geht weiterhin davon aus, dass die EZB-Leitzinsen für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden.Pressemitteilung der EZB Juli 2016
Auswirkungen auf die Zinsen von Sparprodukten wie Tagesgeld oder Festgeld
Die Zinsen für Sparprodukte, wie Tagesgeld oder Festgeld verharren auf einem niedrigen Niveau. Der Rat der Europäischen Zentralbank tagt aktuell in einem Sechswochenrhythmus, und wenn wir unser Zinsbild zur Hilfe nehmen, um zu sehen, wie sich die Spitzenzinsen in diesem Zeitraum entwickelt haben, sehen wir, dass sich wenig geändert hat. (vgl. KW 23 mit KW 29) Für Tagesgeld bekommt der Sparer nach wie vor 1,10% Zinsen gerechnet auf das Jahr. Hier hat sich nichts verändert. Für Festgeld mit der Laufzeit von 12 bekommt der Sparer allerdings jetzt um 10 Basispunkte geringere Zinsen. Auch hier sind nur noch 1,10 % Zinsen möglich. Für 24 Monate Laufzeit erhalten Sparer 1,25 % Zinsen. Da auch die Inflation leicht gestiegen ist, fällt die mögliche Realrendite geringer aus als zuvor. Das ist ein Trend, der sich so fortsetzen wird und wir müssen damit rechnen, dass es zunehmend schwieriger wird, den Wert des Ersparten von dem Kaufkraftverlust durch die Inflation zu schützen.
Interessante Artikel zum aktuellen Leitzinsentscheid der EZB
wallstreet-online.de: Draghis Kaufprogramm für Firmenanleihen
spiegel.de: ZEW-Index gefallen: Brexit stimmt Börsenprofis pessimistisch
reuters.com: Kreditgeschäft in der Euro-Zone kommt in Schwung
bundesbank.de:Ergebnisse der Umfrage zum Kreditgeschäft im Euro-Währungsgebiet
vom Juli 2016
handelszeitung.ch: EZB wird Leitzinsen wohl nicht antasten
finanzmarktwelt.de: EZB-Bashing? Nein, mal wieder nur Fakten…
taz.de: Allmächtig und doch machtlos
Bildquelle:
© EZB; Elionas2 – pixabay.com;