Geldpolitik der EZB – Spitzenrefinanzierungsfazilität
Die Spitzenrefinanzierungsfazilität („marginal lending facility“) ist ein geldpolitisches Instrument der Europäischen Zentralbank (EZB), die es den im Euroraum tätigen Geschäftsbanken erlaubt, sich zu dem von der Notenbank festgelegten Spitzenrefinanzierungszinssatz für einen Tag („über Nacht“) Finanzmittel zu beschaffen.
Der aus dem Englischen stammende Begriff der Fazilität beschreibt die Möglichkeiten von Kunden einer Bank oder von Geschäftsbanken gegenüber der Zentralbank zur Kreditaufnahme oder Geldanlage.
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Spitzenrefinanzierungsfazilität
Wenn eine Bank zum Ende eines Geschäftstages Verbindlichkeiten gegenüber dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) aufweist, so werden diese ohne weiteres Zutun als Spitzenrefinanzierungsfazilität behandelt. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität beträgt seit dem 13. November 2013 0,75 Prozent (Stand: 7. April 2014).
Die Spitzenrefinanzierungsfazilität gehört neben der „Einlagefazilität“ und dem „Hauptfinanzierungsinstrument“ zu den drei Leitzinsen der EZB. Gegenstück der Spitzenrefinanzierungsfazilität ist die Einlagefazilität der EZB, die es den Geschäftsbanken ermöglicht, zu dem von der Zentralbank festgelegten Zinssatz überschüssige Liquidität bei der EZB anzulegen.
Sicherheiten für die Inanspruchnahme der Spitzenrefinanzierungsfazilität
Die Satzung der EZB bestimmt in Artikel 18.1, dass alle Kreditgeschäfte des Euro-Systems, also auch die Inanspruchnahme der Spitzenrefinanzierungsfazilität mit notenbankfähigen Sicherheiten zu unterlegen sind.
Die EZB lässt marktfähige Sicherheiten zu, wenn
• der Emittent eines Wertpapieres seinen Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder einem anderen G10-Staat (USA, Kanada, Japan oder Schweiz) hat,
• die Wertpapiere im EWR belegen sind,
• die Sicherheit auf Euro oder auf eine früher im EWR geltende Währung lautet und
• der Schuldner über eine gute Bonität verfügt.
Außerdem können nicht marktfähige, weil nicht als Wertpapiere verbriefte Sicherheiten akzeptiert werden, soweit sie für einzelne nationale Finanzmärkte von herausgehobener Bedeutung sind und gesonderte Zulassungskriterien von den nationalen Notenbanken festgelegt werden. Nicht marktfähige, aber dennoch notenbankfähige Sicherheiten sind in Deutschland vor allem Kreditforderungen von Banken an Unternehmen.
Die Spitzenrefinanzierungsfazilität löste das geldpolitische Instrument des Lombardkredites ab, der den Geschäftsbanken vor Gründung der EZB (am 1. Januar 1999) von der Deutschen Bundesbank als Kredit gegen Beleihung lombardfähiger Wertpapiere eingeräumt wurde.
Welche Bedeutung hat die Spitzenrefinanzierungsfazilität für den Geldmarkt?
Die Spitzenrefinanzierungsfazilität, die als sogenannte „ständige Fazilität“ dauerhaft und in unbegrenzter Höhe bereitsteht, sichert die Liquidität der Geschäftsbanken. Das Instrument der Spitzenrefinanzierungsfazilität gewährleistet auch, dass die Kreditinstitute stets ausreichend hohe Mindestreserven bei der Zentralbank unterhalten. Mindestreserven sind Pflichteinlagen, die die Geschäftsbanken in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes ihrer Sichteinlagen („Mindestreservesatz“) bei der Zentralbank unterhalten müssen. Die Mindestreservepolitik der Zentralbank dient der Gelwertstabilität.
Kreditinstitute werden Übernachtkredite von anderen Kreditgebern nur dann in Anspruch nehmen, wenn der von diesen geforderte Zinssatz unterhalb des Spitzenrefinanzierungszinssatzes der EZB liegt. Der Spitzenrefinanzierungssatz bildet daher die Obergrenze der am Geldmarkt erhobenen Zinsen und übernimmt damit die Aufgabe des Leitzinses am Geldmarkt.
Verändert die Europäische Zentralbank den Spitzenrefinanzierungssatz, so werden die Geschäftsbanken die von ihnen für Übernachtkredite verlangten Zinsen entsprechend anpassen. Der Spitzenrefinanzierungsfazilität ist somit ein Instrument, mit dem die EZB die Geldmarktzinsen direkt beeinflussen kann.
Welchen Steuerungszweck verfolgt die EZB mit dem Spitzenrefinanzierungssatz?
Mit dem Spitzenrefinanzierungssatz steuert die Europäische Zentralbank die Liquiditätsversorgung der Geschäftsbanken. Dabei orientiert sie sich an ihrem vorrangigen Ziel, dem Erhalt der Geldwertstabilität. Soweit die Preisstabilität nicht gefährdet ist, unterstützt die Zentralbank mit ihrer Leitzinspolitik auch die staatliche Wirtschaftspolitik.
Ein niedriger Spitzenrefinanzierungssatz führt tendenziell zu einer erhöhten Geldmenge sowie zu einer beschleunigten Geldumlaufgeschwindigkeit und damit zu einer anziehenden Inflation: Banken können die ihren Unternehmens- und Privatkunden berechneten Zinsen senken, was die Bereitschaft zur Kreditaufnahme erhöht. Sparer nehmen gewöhnlich in größerem Umfang Konsumausgaben vor, wenn sie für ihre Geldanlagen nur geringe Zinsen erhalten. Ein niedriger Spitzenrefinanzierungssatz kann somit stimulierend auf die Konsumneigung wirken.
Eine Erhöhung des Spitzenrefinanzierungssatzes führt zu steigenden Geldmarktzinsen. Sparer erhalten höhere Einlagenzinssätze und werden dadurch zu verstärkten Sparanstrengungen animiert, während Darlehenskunden ein höheres Entgelt für ihre kurzfristigen Kredite entrichten müssen.
Inwieweit sich steigende kurzfristige Zinsen auch auf die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und die Konsumbereitschaft von Verbrauchern auswirken, ist aufgrund vielfältiger Wechselwirkungen umstritten. Bei einer Anhebung des Spitzenrefinanzierungssatzes erhöhen sich die langfristigen Zinssätze meist nicht in demselben Umfang. Kommt es aber zu einer Erhöhung der Zinsen am (langfristigen) Kapitalmarkt, so wirkt sich dies regelmäßig dämpfend auf Konjunktur und Inflation aus.
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